Wissen, wann man kämpfen soll und wann nicht. Das Tor zur heiteren Gelassenheit.

Tao LandschaftDas Tor zur heiteren Gelassenheit

Viele Menschen, denen ich im Januar begegnet bin, waren unter einem enormen Druck. Die Hinweise auf massiven Stress waren so eindeutig und zahlreich, dass mir klar wurde, dass diese Anspannung kollektiv sein musste. Sehr viele waren davon betroffen, auch ich. Beim einen waren es die Behörden, Prüfer oder das Finanzamt, beim anderen, hoher Druck in der Firma mit den Vorgesetzen oder Mitarbeitern, beim Nächsten waren es Konflikte mit nahen Angehörigen.

Die Gefahr, in solchen Situationen reaktiv zu werden, ist riesig. Unser Instinkt fordert sofortige Klarstellung und Gegenreaktion. Was wir nicht berücksichtigen, ist die Tatsache, dass Menschen, die sich selbst nicht kennen, andere immer aus der der Perspektive ihres eigenen unwissenden Selbst, ihrer Ignoranz, heraus behandeln und kritisieren. Alles, was mit ihren Absichten und Werten übereinstimmt, betrachten sie als gut, und alles, was ihnen gegen den Strich geht oder sie nicht kennen, bekämpfen sie. Daher ist es klug in Auseinandersetzungen nicht in hektischen Aktionismus zu verfallen oder vorschnell zu handeln.

Eine der Kulturen, die sich intensiv mit der „Kunst des Kämpfens“ auseinandergesetzt haben, ist Japan. Über viele Jahrhunderte verstrickten sich die Japaner vom Mittelalter bis in die Neuzeit in endlosen Kriegen um die Vorherrschaft im eigenen Land. Im Gegensatz zu Europa, das ebenfalls permanent in Kriegen verstrickt war, konnte sich in Japan zur selben Zeit der Zen-Buddhismus ausbreiten. Er wurde zur Philosophie der Samurai, der herrschen Kriegerkaste. So wurde der Weg des Zen-Kriegers geboren. Die aus dieser Zeit überlieferten Schriften geben uns interessante Hinweise auf die Frage, wie man am besten mit Konflikten umgehen soll.

Hinterhältigkeit, Intrige oder Verleumdung waren schon immer Bestandteil der menschlichen Psyche und kommen meist dann zum Vorschein, wenn es um Macht geht. Yagyu, Samurai und Schüler des großen japanischen Zen-Lehrers Takuan aus dem 17. Jahrhundert, versuchte trotz widriger Umstände, seine eigenen Schüler in buddhistischer Ethik und Strategie zu unterrichte. Er maß „Achtsamkeit“ große Bedeutung zu. Eine seiner Empfehlung in Konfliktsituationen bezieht sich auf das Vorfeld des Augenblicks: Das „Vorfeld des Augenblicks“ ist der Moment, bevor ein Gegner beginnt, eine Bewegung auszuführen. Die Energie, das Gefühl oder die Stimmung eines Gegners genau sehen und die eigenen Handlungen darauf abstimmen zu können, wird das Vorfeld des Augenblicks genannt. Maßnahmen sollten weder zu rasch, noch zu langsam ausgeführt werden. Man sollte gelassen und gleichmütig vorgehen. Es ist schlecht, zu weit oder zu wenig weit zu gehen. Wenn Du zu schnell gehst, dann bedeutet dies, dass du ängstlich und nervös bist. Gehst du aber zu langsam, bedeutet dies, dass du furchtsam oder erschreckt bist. Der optimale Zustand für Entscheidungen ist der, bei dem Du in keiner Weise erschüttert bist.“

Folgenden wir den Einsichten der japanischen Zen-Meister und Samurais, dann besteht in Konfliktsituationen der erste Schritt immer darin, unseren Geist und Körper wieder von den Spannungen frei zu machen, die ein Konflikt in uns hervorgerufen hat. Dazu gehört auch, so Takuan, „nicht zu versuchen, den Geist des Gegners zu verstehen, weil man dadurch von seiner eigenen Kraft nur abgelenkt wird. Das gilt auch für den Versuch, den eigenen Geist zu verstehen.“ Grübeln, sorgenvolle Gedanken, Selbstanklagen oder sich in Hypothesen darüber zu verlieren, was der andere tun wird, schwächen dich. Takuan: „Wenn Du über Deinen eigenen Geist nachdenkst, wird dein Geist von deinem eigenen Geist gefangen genommen. Du wirst dein eigener Gefangener.“ Takuan weist hier eindrücklich darauf hin, dass wenn ein Konflikt entsteht, der entsprechend negative Gedanken und Gefühle auslöst und man diesen nachhängt, man sich selber lähmt und die falschen Entscheidungen trifft. Die richtigen Lösungen entstehen aus der Ruhe der inneren Weisheit.

Um den Zustand der „heiteren Gelassenheit“, aus dem Weisheit und Kraft strömt, zu erreichen, empfiehlt Takuan zwei Übungswege für den Krieger: Den Weg des Geistes und den Weg des Körpers. Der Weg des Geistes besteht darin, jede Anhaftung an das Denken zu überwinden. Der Weg des Körpers besteht darin, die gestaute Energie im Körper aufzulösen. Wenn wir aufhören, unseren sorgenvollen Gedanken zu folgen und unseren Körper vom energetischen Stress reinigen, werden Geist und Körper wieder klar. Die heitere Gelassenheit, unsere innerste Natur, kommt zurück und offenbart uns den nächsten Schritt.

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