Der Burnout-Mythos der ununterbrochenen Betriebsamkeit

„Sich zu Tode zu arbeiten, ist die einzige gesellschaftlich anerkannte Form des Selbstmords“
Johann Freudenreich 

In den meisten Unternehmen herrscht ein Mythos – der Mythos der ununterbrochenen Betriebsamkeit. Als wenn das Gehirn in der Lage wäre sich ständig auf etwas zu konzentrieren und nie eine Pause brauchen würde, tun Menschen – vor allem in Grossraumbüros – so, als wenn sie ständig produktiv sein könnten.  Der einzige Ort, wo sie sich kurzfristig entspannen können ist absurderweise das WC. Dieser Hamster-Mythos hält sich hartnäckig seit Jahrzehnten und wird eher noch schlimmer, als dass er an Kraft verliert. Verlierer sind dabei die Menschen, denn die Chance auf ein Burnout nimmt damit zu.

Aber es ist nicht nur die Überwachung durch das Kollektiv, durch die Kollegen, die einen mit Argusaugen beobachten, es ist vor allem das eigene schlechte Gewissen, das uns daran hindert, uns eine Pause zu gönnen und einfach mal nichts zu tun. Grund dafür:  Tief in uns herrscht die unbewusste Annahme, es sei tatsächlich möglich, sich ohne Unterbruch auf irgendetwas konzentrieren zu können. Dabei brauchen – neurologisch nachgewiesen – gerade Prozesse, wie verstehen, entscheiden, erinnern, abspeichern und sich zurückhalten (hemmen) am meisten Energie. Hier wird der präfrontale Kortex maximal gefordert und erschöpft sich schnell. Wirkliche Konzentration ist nämlich nur für einen bestimmten Zeitraum möglich, deshalb sind Pausen extrem wichtig. Insbesondere das Setzen von Prioritäten verbraucht gewaltige Energien und sollte vorwiegend dann vorgenommen werden, wenn man sich frisch und ausgeruht fühlt.

Ich habe Unternehmen erlebt, die extra Ruheräume eingerichtet hatten, um ihren Mitarbeitern zu ermöglichen sich zwischendurch zu regenerieren. Es war allerdings nie jemand dort, da man sich nicht als „Un-Tätiger“ „outen“ wollte. Diese sehr tief sitzende Konditionierung lässt sich scheinbar nicht über einen speziellen Ort lösen, sondern nur, wenn man die unbewussten Annahmen zur Funktionsweise des Gehirns hinterfragt und beginnt „gehirngerecht“ mit sich und anderen umzugehen.

Probieren Sie es mal aus: Tun Sie bewusst, mehrmals am Tag, ein paar Minuten nichts! Rein gar nichts! Trauen Sie sich und durchbrechen Sie diesen Mythos aktiv. Sobald Sie anfangen, werden andere Ihnen folgen. Wenn Sie diese Illusion entlarven, werden andere sich auch trauen und das angespannte Klima verändert sich zugunsten einer entspannten Atmosphäre, die für die Zusammenarbeit um ein Vielfaches förderlicher ist.  Beginnen Sie in Momenten, in denen das Risiko für Sie klein ist und weiten Sie das „Nicht-Tun“ langsam aus auf alle Bereiche des Lebens.

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